Vom Regen in die Traufe
ja wo fängt man da am besten an. Ich bin 1991 gesund zur Welt gekommen. Die Kindergarten- und Schulzeit habe ich auch ohne Zwischenfälle gemeistert.
2008 begann ich meine Lehre und im Sommer 2009 wurde ich schwanger. Auch die Schwangerschaft verlief super und 2011 bekam ich einen gesunden Jungen.
Ja und nun beginnt die Reise. Ich bekam eine Thrombose und eine evtl. Diagnose Rheuma… Ich…19 Jahre und Rheuma niemals… Naja mit Medis wurde dann auch alles gut behandelt und im Frühjahr 2011 wurden dann alle Medis abgesetzt. Fataler Fehler, wie sich später raustellte. Ich konnte mich kaum noch bewegen und mein Körper hat alle unrelevanten Funktionen eingestellt (Husten, Niesen, Schluckauf etc.) Die Luft war sehr knapp.
Meine Hausärztin schickte mich sofort in die Rettung. Herzlichen Glückwunsch sie haben eine Lungenembolie, Lungenentzündung, eine Tiefe Beckenvenenthrombose und schwanger sind sie auch. Puh, da wurde mir erstmal der Boden unter den Füßen weggezogen. Für mich war klar die Schwangerschaft kann ich nicht austragen. Ich muss meinen Körper erst mal wieder stabilisieren. Gesagt getan, 3 Wochen Krankenhausaufenthalt und 3 Wochen Reha, schossen mich zurück ins Leben.
In dem Folgejahren wurden viele Untersuchungen gemacht. Die Diagnosen Systemischer Lupus Erythematodes, Antiphospholipydsyndrom und Lipödem klangen nicht ganz so rosig.
Also begann ich damit 2-mal die Woche zur Manuellen Lymphdrainage (MLD) zu gehen und einige Pillen zu nehmen. Ich habe auch Rente und einen Behindertengrad beantragt, seit 2013 ist beides bewilligt
Es war allerdings vergebens, ich bekam weiterhin fast Jährlich eine neue Thrombose. 2014 kurz nach dem ich geheiratet habe ging ich mit meinem Sohn auf Mutter-Kind-Kur. Es half uns sehr, besonders die Psychische Belastung wurde um einiges leichter. Kurz darauf wurde ich erneut schwanger.
Doch was in den kommenden Monaten auf uns zurollte war uns nicht bewusst. Nun ja neben den Arztbesuchen und den Unmengen an abgezapften Blut, war die ständige Panikmache, das das Baby geistig und /oder körperlich behindert werden würde das schlimmste. Zum Glück war sie nur etwas zu klein und zu leicht. 2019 beschloss ich mir nach einer weiteren Fehlgeburt (mittlerweile waren es 3) die Gebärmutter entfernen zu lassen. Alles verlief gut.
Mit der Corona-Pandemie kam die Angst vor eine Infektion. Ich ging also nicht mehr zur MLD. Alles war gut, keine schweren Beine oder Wassereinlagerung.
2021 entschied mein heutiger Ex-Mann das es besser wäre getrennte Wege zu gehen. Also trennten wir uns. Ich nahm in der zeit viel ab und auf raten meiner Rheumatologin ließ ich mich gegen Covid impfen, 2-mal. Kurz nach der Trennung kam ich mit meinem jetzigen Lebensgefährten zusammen.
2023 ging es dann gesundheitlich steil Berg ab. Im Februar infizierte ich mich mit Corona. Es hat mich komplett flachgelegt, 4 Wochen ging gar nichts. Ich hatte extreme Reizhusten, Luftnot und überall Schmerzen. Ein Termin beim Arzt ergab neben Covid noch eine Lungenentzündung und einen Muskelfaserriss in der Rechten Wade. Meine Beine sind schlagartig angeschwollen. Als nach 3 Monaten der Husten und die Luftnot noch immer da waren, suchte ich erneut einen Arzt auf. Dieser verschrieb mir für die Luftnot etwas zum Inhalieren, gegen den Husten Antibiotikum und Schleimlöser. Es war keine Besserung in Sicht, meine Beine Schwollen auch immer mehr an und meine Gehstrecken wurden immer kürzer.
Mittlerweile waren die Beine bis hoch in die Leiste Knüppel hart und dick, der Rücken, die Brust, es schmerzte einfach alles. Sitzen, liegen, laufen nichts war mehr ohne Luftnot und schnaufen möglich. Ich schleppte mich so durch das Jahr, bekam Kompressionsversorgung und auch wieder MLD. Mein Appetit war kaum noch vorhanden, jede Hustenattacke brachte mich zum erbrechen sie machten mich auch regelrecht inkontinent. Trotz dessen habe ich in kürzester Zeit fast 30 Kg zugenommen und mittlerweile war selbst der Bauch und die Brust hart und sehr angeschwollen.
Im Januar 2024 ging ich in die Rettung und schilderte alles. Nach 12 stunden in der Rettung und einigen kleinen Test meinte der Arzt “Sie haben keine Thrombose oder Embolie, sie sind einfach nur zu dick“ Ich brach in Tränen aus und flehte ihn an mich komplett durchzuchecken ich habe doch so angst davor zu sterben.
Wie berechtigt diese Angst zu diesem Zeitpunkt war, war mir jedoch nicht bewusst. Ich fuhr also wieder nach Hause und quälte mich einen weiteren Monat. Sonntag rief ich mir dann einen RTW, etwas unwohl war mir schon, vllt habe ich ja wirklich nichts, aber die Angst zu sterben wurde immer größer.
Ich wurde ins hiesige Krankenhaus gebracht und durchgecheckt. Mein Herz und meine Lunge wurden geröngt. Tada, die rechte Herzseite war vergrößert. Der Doc gab mir gleich Wasserspritzen und sie schlugen auch schnell und gut an. Binnen 2 Wochen waren die 30 Kg wieder runter und mein Körper schwoll wieder ab. Nach 3 Tagen wurde ich ohne eine Diagnose verlegt. In diesem Krankenhaus soll ein Spezialist sein der sich mit der Verdachts Diagnose auskennt.
Wieder explodierte die Angst, dass mir nicht geholfen wird, da mich dieses Krankenhaus vor einem Monat abgewiesen hatte.
Es wurden viele Untersuchungen gemacht. Und dann kam der Tag der Wahrheit. Mir wurde meine Diagnose verkündet. Chronisch thromboembolische pulmonale Hypertonie (CTEPH) Okay, was ist das, wirklich mit der Sprache wollten die Ärzte nicht rausrücken. Also googelten meine Zimmernachbarin und ich unsere Diagnosen. Und die wichtigste Frage war, wie lange. Wie lange leben wir noch???
Für mich brach eine Welt zusammen. In meiner Familie stieß ich auf unterschiedliche Reaktionen. Meine Mama sah es knallhart und nur die Fakten, mein Vater wollte es nicht wahrhaben, meine Schwester war optimistisch und mein einer Bruder ging mir vor lauter Mitleid aus dem Weg. Und mein Freund war mit allem heillos überfordert, aber er wollte von Anfang an nur das Beste. Alles in allem doch eine gute Mischung.
Meine Zimmernachbarin und ich suchten Infos im Netz, doch an Doktor Google wollten wir uns nicht wenden, also traten wir einer Selbsthilfe Gruppe für PH-ler bei. Wo viele unserer Frage recht schnell geklärt werden konnten. Meine Angst schlug schnell in Optimismus und Lebenskampfgeist um, denn ich wollte meine 2 Kinder aufwachsen sehn. Ich wurde Medikamentös neu eingestellt und bekam neben der MLD auch die Sauerstoff Therapie. Nach und nach wurde ich wieder Fitter.
Mittlerweile kann ich wieder längere Strecken entspannt gehen, in den Garten gehen und auch mal den Sauerstoff für kurze Zeit weglassen. Der Reizhusten, der mich das ganze letzte Jahr quälte ist auch fast komplett weg, nur noch, wenn ich mich zu sehr anstrenge oder zu viel lache. Zwar kann ich kein Fußball spielen oder aktiv mit meinen Kids rumtoben, aber ich lebe und das bis Dato mit einer für mich guten Qualität. Jetzt werden noch einige Test/ Untersuchungen benötigt um zu sehen ob meine CTEPH evtl. operabel ist.
Mein Tipp an alle. Verliert nie den Kampfgeist, die Freude am Leben und vor allem nicht euren Humor. Auch wenn es nicht sofort geschieht, aber es gibt immer einen Funken Hoffnung. Es kommt drauf an ob ihr ihn entzündet oder verglühen lasst.
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Danke liebe Anne für Deine persönliche Geschichte, die leider so viele Menschen mit PH erleben müssen, dass sie nicht ernst genommen werden, dass sie als Hypochonder abgewertet werden und dass man sie als vermeindlich gesund nach Hause schickt, weil man müsste einfach mal abnehmen, Sport treiben usw...wie oft hab ich das schon gelesen, gehört und leider auch selbst erlebt. So schön, dass Dein Kampfgeist in unserer Gruppe erwachte! Ich hoffe sehr, dass Du operiert werden kannst. Bleib so wie Du bist, Du bist eine tolle Frau :-) (Daniela Schiel)